Heiko Mehnert

Ich habe vor dem Fernseher geweint

5. November 2018

Casting-Shows besitzen oft das Stigma des „Fremdschämen“. Casting-Shows stehen auch ein bisschen für den Verfall von TV-Kultur. Casting-Shows machen Quote und dies scheint die wesentliche Motivation für dieses Format zu sein. Die Essenz – der Traum vom Traum berühmt zu sein. Auf der Bühne stehen, Star sein, ein besseres Leben. Menschen machen viel dafür – bis hin zur Erniedrigung. Nichts scheint dann eine Barriere zu sein – egal, wer bin ich schon?


Gestern lief wieder The Voice of Germany. Und sie schafft etwas, was kaum vorstellbar ist – auf jedem Fall auf diesem Sender mit einer Casting-Show – sie erzeugt echte Emotionen bei den Zuschauern. Sie geht ans Herz, ohne dabei kitschig zu sein. Sie ist witzig, ohne dabei Klamauk zu sein – The Voice of Germany unterhält und lässt den Alltag komplett verschwinden. In dieser Form ist das atemberaubend. Immer noch.


Kurz zum Prinzip. Vier Teams aus Musik-Profis bestehend, suchen jeweils 16 Musiker und Künstler aus Deutschland – Sängerinnen und Sänger, denn gesucht wird die Stimme Deutschlands. In Blind-Auditions wurden diese Sänger ausgewählt. Die vier Teams sehen die Sänger nicht und die Sänger haben 1:30 Zeit, um die Teams zu überzeugen. Hat sich ein Team entschieden, schlägt es auf einen Buzzer und sieht dann den Vortragenden oder die Vortragende. Buzzern gleich mehrere Teams, darf sich der Künstler ein Team aussuchen für welches er später singen wird. Buzzert niemand, ist der Sänger raus oder die Sängerin. Relativ simples Prinzip. Und da steckt das Geheimnis. Ein Geheimnis. Nach dieser Runde werden Battle ausgetragen – aber da sind wir noch nicht. Gerade wurden die Blind-Auditions abgeschlossen.


Was ist nun das Geheimnis? Die Teams. Alles Musiker, Künstler. Diese vierfache Authentizität, diese vier/fünf auf verschiedenste Arten Könner – also Profis – geben das Fundament für alles. Sie sind fein ausgewählt, so wie sie interagieren, wie sie mitgehen, wie sie sich freuen und wie sie versuchen, um die Sänger zu buhlen – da ist echter Respekt und das macht es so „überemotional“. Ein Niemand wird hier hofiert, wird für seine Leistung gelobt, ja motiviert – da ist kein Fremdschämen, sondern echte Freude, wenn man ein klein wenig Empathie besitzt. Das ist es – es ist eine Empathie-Show. Wir fühlen mit – wie auch die Teams, die Stars – und am Ende freuen wir uns. Mit den vormaligen Nobodies und den Stars. Freude ist schön.


Empathie ist der Schlüssel. Wir Menschen besitzen das und das ist gut.


Ja, und dann hatte ich auch Tränen in den Augen – weil die Kunst, die Musik und das Bemühen ans Herz gehen. Und mit dem Freuen des Kandidaten brechen die Dämme.

Es ist ein sehr emotionaler TV-Abend gewesen.