2018: Übrig geblieben ist der Sommer der Influencer. Selten war es so heiß in Deutschland. Selten haben „einfache“ Menschen so viel Reichweite erreicht mit Bildern von viel nackter Haut an Stränden rund um den Globus. Selten wurden so viele Salate, Bockwürste und Petit Fours fotografiert. Instagram war das Schaufenster aller und von allem. Eitel Sonnenschein in den Social-Media-Blasen. Mehr?
Nein, ich möchte nicht über die WM schreiben. Belassen wir es beim Sommer der Influencer.
Wie lebt man nun weiter? Was steht 2019 auf der Agenda?
1. Reichweite braucht Relevanz.
Es sind eben nicht nur die nackten Zahlen. Egal wieviel Follower jemand besitzt. Natürlich lockt ewig das „Weib“, die Reichweite – aber die Zukunft braucht mehr Relevanz. Es beginnt die Zeit der Mikro- oder Nano-Influencer. Das bedeutet zwar noch mehr Arbeit, aber am Ende belohnen Empfehlungen und Viral-Effekte. Gerade Marken sollten sich die Mühe machen. Weg von der Influencer-Massenabfertigung, hin zu „intimen“ Lösungen.
Natürlich hat „Schnucki72“ vielleicht 230.000 Follower, aber nimmt man ihr wirklich die Beurteilung des Fahrverhaltens bei extremem Lastenwechsel ab?
Lieber das Rezept für den leckersten Salat von einem Koch oder einer Ernährungsexpertin schreiben lassen, um aus dem Content mehr rauszuholen, als dem Abiturienten zu glauben, dass Rote Bete echt „scharf“ ist und die Zeit des Feta-Käse begonnen hat.
Und: Die Welt ist keine Avocado!
2. Ich will nie wieder fernsehen.
Ich kann es nicht lassen. Immer wieder macht man sich zum Selbstversuch auf. Abends. Nachts. Der Daumen verirrt sich auf der Fernbedienung und schon streift man durch den Kabelsalat der Oldschool-TV-Stationen. RTL und Konsorten beim permanenten Versenden von ungenießbarem Content. Schrecklich leere Zeit, vertan, vergeudet – jeder gute Albtraum hätte mehr Thrill gebracht – merkt man leider erst viel zu spät.
Okay, das ist jetzt richtig fette Polemik, aber mal ehrlich, wann gab es zuletzt einen echten Straßenfeger, wann wurde man förmlich mit dem Staubsauger des TV-Ereignisses an die Mattscheibe gesogen?
Nein, ich möchte nicht über die WM schreiben. Belassen wir es beim Fakt, es gibt nichts mehr wirklich Gutes im Free-TV.
Ich will wieder fernsehen. Und zwar wann ich will und vor allem was ich will. 2019 wird das Jahr der Streaming-Portale. Das ist jetzt nicht neu, richtig, aber das Marketing hat es noch nicht wirklich wahrgenommen. Deshalb sollten Marken überlegen, wie sie an das Netflix- bzw. Amazon-Lagerfeuer herankommen. Aber bitte nicht wie Audi mit der Q8 „Serie“ (Die Q8 Mini-Serie). Nein, auch hier sind leider Qualität und Kreativität gefragt.
Wäre es nicht toll, wenn Marken uns mit Qualität so richtig unterhalten würden? Es wäre der Marketing-Traum. Kontaktqualität ohne Ende und dankbare User in den Social Media Räumen, die von der Marke und ihren Geschichten schwärmen. Herrlich.
3. Kundenzentrierung ist keine Pflichtfach, sondern die Kür im Marketing.
Ich habe sie schon mehrfach beschrieben: die Kunden-Misshandlungen im Einzelhandel. Ich könnte mich ständig übergeben und wäre ich mein ständig „grantelnder“ Vater, wäre ich über die Festtage nicht zum Einkaufen gekommen, sondern ständig wutentbrannt aus den Supermärkten geflohen – ohne Ware. Entweder weil man mich an der Kasse wiedermal des möglichen Diebstahls bezichtigte oder ich unfreundlichst von Peak-Time-Regal-Auffüllern aus den Gängen vertrieben wurde. Typische Einkaufserlebnisse, die wir alle kennen.
CRM ist immer noch in den Kinderschuhen und das schon seit Jahrzehnten. Als Kunde ist man der Depp. Überall, auch online.
2019 wird das Jahr der Kunden. Es muss so sein. Nur wer in der Lage ist, den Kunden als sein größtes, wichtigstes und wertvollstes Gut zu erkennen, wird in den Märkten überleben. „Aber VW hat doch tolle Autos.“ Was ist das für ein armseliges Gebrabbel? Die Marke hat gelogen und betrogen. Massiv. Punkt. (Der komplette VW-Skandal) So verlassen Frauen ihre Männer und umgekehrt. Auf Nimmerwiedersehen.
Wer sich heute für ein Produkt entschieden hat und es kauft, verdient von der jeweiligen Marke ein echtes Verdienstkreuz. Denn auf dem Weg dorthin wurde unzähligen Bestechungen und Versprechungen der Konkurrenz Stand gehalten. Das ist eine sagenhafte Leistung – die nicht nur Respekt, sondern im After Sales Best-Friends-Forever-Verhalten verlangt. Für immer.
Marken, die um den Kunden buhlen, die ihn begeistern, überzeugen, die ihm dienen und ihn lieben, werden in den Olymp des Marketings aufsteigen. Ab 2019 für immer.
4. Marken werden den Mund aufmachen.
Die Welt ist nicht verloren, sie wird nicht untergehen, wenn alle so sind, wie Nike.
Es war eines der Marketing-Ereignisse im Jahr 2018. Einer der Hauptsponsoren der NFL macht den Mund auf, aber so richtig. Die Story ist bekannt. Der NFL-Spieler (Colin Kaepernick, der Skandal, die Chronik), der es wagte, seinem Protest mit einem Kniefall während der amerikanischen Nationalhymne Luft zu machen, wurde aus der NFL gefeuert. Und von Nike zum Sprachrohr gemacht, genau wegen dieses Verhaltens. Wegen dieses zivilen Ungehorsams. Der YouTube-Spot von Nike, der nicht nur das zum Inhalt hatte, sondern das Brechen von Konventionen mit einem einfachen „Just Do It“ zusammenfasste, war der Videospot-Höhepunkt des Jahres 2018. Übrigens mit 30 Prozent mehr Absatz für Nike. Der Spot „Dream Crazy“
Und weil das so geil war, glaube ich, dass Marken den Mund aufmachen werden und müssen. Das geschieht natürlich schon jetzt immer mal wieder, aber 2019 wird das Jahr sein, in dem Missstände aufgezeigt und Aktivitäten gestartet werden, um die Welt nicht nur ein wenig besser, sondern nachhaltig besser zu machen. Am besten für immer.
5. Qualität bestimmt unser Handeln.
Nein, es ist ganz und gar nicht abgedroschen. Die Sucht nach Qualität ist eine gute Sucht. Leider sind zu viele Marken „scheinbar“ clean. Sie vergessen, dass es überhaupt nur einen Grund gibt, ein Produkt zu kaufen. Und das ist und bleibt eine herausragende Qualität. Und ich will noch einen Schritt weiter gehen: Qualität bestimmt unser komplettes Handeln. Auch im Marketing und in der Kommunikation. Es wäre doch für uns alle herrlich, wenn Produkte genau das halten würden, was sie versprechen. Und mehr.
Wenn wir miteinander in einer Qualität kommunizieren, bei der es Spaß macht, zuzuhören, zu interagieren, gemeinsam eine neue, bessere Ebene zu erreichen, das wäre einzigartig befriedigend. Deshalb wird 2019 das Jahr der Qualität. Wie gesagt: in allem. Das muss man sich jedes Jahr vornehmen.
6. Einfach mal die Klappe halten, wenn man nichts zu sagen hat.
Es könnte so schön sein, wenn man nicht immer alles rezipieren, wenn man sich keinen Informations-Detox verabreichen müßte, weil nur der spricht, der auch etwas Relevantes zu sagen hat. „Relevanz ist das neue Schwarz.“ Das beste Motto für 2019. (Siehe oben, komisch, dass das schon wieder kommt 😉
Marken glauben nicht, dass Banner etwas bringen. Marken glauben nicht, dass Mini-Schriftgrößen auf Digital-Billboards gelesen werden können. Marken glauben nicht, dass eine hohe E-Mail-Marketing-Frequenz das eigene Image nicht schädigt. Nur drei Dinge, die leider nicht wahr sind.
Marken glauben nämlich immer noch mehr an Penetranz als an Relevanz. Das wird sich 2019 ändern. Ganz bestimmt. Bitte, bitte. Bittöööö.
7. „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“
Alter Hut. Leider gar nicht. Leider hoch aktuell. 2019 wird deshalb zum Jahr des Respektes. Respekt schenken, zollen, entgegenbringen. Wenn Marken genau das machen, dann ist alles gut, dann kann nichts mehr schief gehen. Weder in der Produktentwicklung, noch in der Marketingkommunikation. Respekt ist ein guter Klebstoff innerhalb unserer Gesellschaft. Er kann uns wirklich zusammenhalten. Marken müssen das berücksichtigen. In der Kommunikation. Im Vertrieb. Im Verkauf.
Ich werde 2019 viele Marken kaufen – wie in jedem Jahr – aber ich werde auch meine Macht nutzen, zu entscheiden. Die Marke, die mich am meisten respektiert, wird meine Gunst erlangen. Das Wertvollste, was ich bereit bin, zu geben. Meine Gunst. Diese Macht habe ich.
Das sind 7 Marketing-Vorsätze gewesen. Teilweise gar nicht so neu. Aber das ist auch ziemlich gut so, dann wissen wir nämlich, wie es geht.
Auf ein tolles, erfolgreiches 2019!
mehnert / paris
Agentur für Marketing, Design & PR