Heiko Mehnert

Die Currywurst hat heute Geburtstag

4. September 2018

Vielleicht so.


Die Erfindung der Currywurst.


Winter 49. Der Dampf schlug aus der Bude am Stuttgarter Platz. Der Kessel mit den Wienern war umgefallen. Das kochend heisse Wasser verteilte sich auf dem Boden. Die kalte Januarluft machte aus dem Unfall einen dichten Nebelblock. „Scheiße, verdammte Scheiße,“ schrie die kräftige Frau hinter dem Tresen und tanzte dabei wie ein Derwisch, um nicht in der heissen Wurstbrühe zu stehen. „Watten Herta, brennt die Bude?“ Klaus Hartmann war Taxifahrer und parkte seinen schwarzen Benz gerade auf der anderen Seite, als er die weiße Wolke aus Herta Heuwers Bude herausschießen sah.


Ohne auf den Verkehr zu achten rannte er über die Straße. Die tanzende Herta aber winkte schon ab.


„Allet halb so wild, der Kessel hat einen Abgang gemacht, das Regal ist gebrochen. Die Wiener liegen jetzt hier wie tote Aale auf’m Boden. Wat willste Klaus?“


„Wiener haste nicht mehr?“


„Sag ick doch, Klaus, die sind tot, liegen hier auf’m Boden, vielleicht willste hier reinkrabbeln?“


„Achso, nee, danke, gib mir was anderes.“


„Eine Bratwurst hab ick immer.“


„Nee, keene Bratwurst, haste nicht noch was anderes?“


„Nur noch Soße, willste die mal probieren?“


Herta schnitt die Bratwurst in Stücke und goß zwei Kellen einer orangefarbenen Sosse über die Wurststücken. Klaus nahm sich einen Holzpieker und probierte. „Janz schön scharf.“


„Na ist doch och kalt.“


„Stimmt, schmeckt. Wat is dit?“


„Currywurst Klaus, janz neu. Du kennst die Ami-Bar dahinten, gegenüber von der S-Bahn?“


„Ja, die GIs hol ick da immer ab, wenn se richtig geladen haben.“


„Richtig, und letztens wollten noch zwei was essen. Bratwurst mit Sosse wollten die – ich hatte die gar nicht verstanden. Naja und dann hab ick denen eine Bratwurst zerschnitten und Ketchup raufgemacht. Und dann wollten die das aber scharf. Ick hatte ja aber nur das Pulver von Gerd, was der aus Hamburg mitgebracht hat – dit Currypulver. Also ruff damit. Das hat denen janz hervorragend geschmeckt. Ick hab das jetzt zusammengemischt. Du bist der Erste, und?“


„Jut, richtig jut, gib mal noch ne Schrippe, für die Sosse – zum Ditschen.“


„Klaus, Schrippen hab ick och immer.“


„Und jetzt och ne richtige eigene Sosse für ne Currywurst. Find ich richtig jut.“ „Meinste, Klaus?“


Monate später in New York. Zwei GIs stehen an einem Hot Dog Wagen und sind schon leicht angetrunken. Mit wedelnden Händen versuchen sie den Verkäufer hinter seinem Wagen davon zu überzeugen, dass er seine Wurst kleinschneiden soll und darüber dann seine schärfste Sosse gießen müsse – nur so würden sie die Wurst essen wollen. In Berlin würde man die Wurst so bekommen. Der Verkäufer schüttelte nur mürrisch den Kopf, sie sollten verschwinden, nicht so viel saufen, der Krieg wär vorbei und die „German-Wurst“ sollten sie sich aus dem Kopf schlagen, so was isst man nicht.


2015, New York, 120, 1st Avenue. In Wechsler’s Currywurst and Bratwurst steht ein Reporter der New York Times.


„Und das ist die Geschichte?“


„Ja, genau so war es, der Typ mit dem Hot Dog Wagen hat das Geschäft seines Lebens verpasst. Die “German-Wurst“, die Currywurst ist in Deutschland der Renner, ich kenne welche, die sind mit einer Currywurstbude richtig reich geworden. In Berlin, Germany. Und wie ist die Wurst?“


„Georgeous, lecker.“


Das ist die ganze Geschichte. Vielleicht.


Am 4. September 1949 erfand Herta Heuwer die Currywurst. In Berlin. Das ist die wahre Geschichte.