Hohe Erwartungen, Enttäuschungen, Chancen.
Am 18. Januar wurde ich zu Clubhouse eingeladen. Ich wusste von dem Netzwerk, von dessen Existenz, aber mehr auch nicht. Die Einladung kam von jemandem, den ich lange nicht gesehen hatte. Ich war freudig überrascht. Jetzt war ich in Clubhouse.
Was ist Clubhouse? Ein weiteres soziales Netzwerk. Punkt. Ganz genau hat das SchmidtColleg aufbereitet, zu denen ich gerne verlinke. Ein substanzielles Whitepaper. Hier zum Runterladen.
Ich möchte an dieser Stelle mehr über die Frage nachdenken, wie man Clubhouse fruchtbar machen könnte.
Hohe Erwartungen.
Das aus meiner Sicht Wichtigste zuerst. Clubhouse ist ein soziales Netzwerk und kein B2B-Portal. Es ist für eine Gesellschaft gemacht, die gelernt hat, über soziale Netzwerke zu kommunizieren. Es geht um das Miteinander-Sprechen. Und ganz oberflächlich erst einmal um nicht mehr.
Auf Grund des limitierten Zugangs über ein Einladungsprozedere und bestimmte technische Voraussetzungen (Clubhouse ist weiterhin nur über ein iPhone/iPad zugänglich) entstand anfangs eine Art Hype. Menschen wollten dazugehören. Alles machte einen sehr exklusiven Eindruck – das fördert natürlich die Begehrlichkeit. Eigentlich ganz einfach. Und es funktionierte. Zumindest in der „iPhone-Welt“. Inwieweit der Ausschluss von Android-Geräten der Marke einen schwer zu reparierenden Schaden mitgegeben hat, kann man zur Zeit nicht wirklich sagen. Es könnte auch sein, dass der Run auf das Netzwerk noch größer wird, wenn Android dazukommt. Wir werden sehen.
Der Hype weckt natürlich große Erwartungen. Und dann ist Clubhouse erst einmal nur das, was es ist – eine Gesprächsplattform. Das kann man nicht oft genug unterstreichen. Es bietet keine Interaktion, die über das Gespräch hinausgeht, das muss selbst organisiert werden. Ein Teilnehmer hat gesagt, Clubhouse sei wie ein Telefongespräch, wie eine Telko. Und ja, mehr scheint es nicht zu sein.
In dieser Reduktion liegt ein Reiz. Diese Einfachheit gibt dem Gespräch im wahrsten Sinne des Wortes einen Raum. Und dieser Raum, wie jedes Gespräch, muss mit Inhalten gefüllt werden. Für Unternehmen und Menschen, die darauf aus sind, schnell Geschäfte auf solchen Plattformen zu machen, ist die Enttäuschung schnell aus der Stimme herauszuhören.
Enttäuschungen.
Ähnlich wie bei der Einführung anderer Netzwerke ging es für viele erst einmal um das Sammeln von Followern. Ganz simpel schien der mit den meisten Followern der vermeintlich Erfolgreichste auf Clubhouse zu sein. Es gab sogar schon Speaker-Weltrekorde und Superlativ-Meldungen über die Menge der Kontakte, die man gemacht hat. Geltungsdrang über Quantität mag hier die Überschrift sein. Nachhaltig ist das nur dann, wenn der Versuch gestartet wird, in ein begleitendes Netzwerk zu transformieren. Für KMUs scheint die langfristige Lösung weiterhin bei LinkedIN oder XING zu liegen. Verabredungen außerhalb von Clubhouse in solchen Netzwerken eröffnen die Chance, nicht nur in Kontakt zu bleiben. Aber auch das ist ein Prozess und der muss erst einmal vollzogen werden.
Die „Talkshow“.
Viel enttäuschender ist aber oft das Gespräch. Auch wenn es einem Telefongespräch ähnelt, gibt es eben auch ganz schlechte Telefonate, die mehr nerven, als dass sie einem etwas bringen. So unterschiedlich wie es die Fähigkeiten zum Präsentieren und zum Führen von Gesprächen sind, so unterschiedlich waren auch die Qualitäten der ersten Clubhouse-Gespräche. Peinlich wurde es immer dann, wenn Menschen aus Unternehmen sich selbst oder ihr Unternehmen präsentieren wollten. Oftmals erfuhr man nur, wie toll diejenigen sich selbst finden. Übrigens waren da Männer und Frauen sehr ähnlich. Wer glaubt, das ist nur eine männliche Schwäche, der hat noch nicht die Speakerinnen und Unternehmerinnen auf Clubhouse gehört.
Aber das ist kein Problem von Clubhouse – überhaupt wäre es falsch, den Kanal dafür verantwortlich zu machen. Es sind die Menschen, die langweilen und dann enttäuschen. Ist die Headline noch in der Lage, einen in den „Room“ zu locken, ist es dann auch wieder ganz schnell vorbei mit der Aufmerksamkeit.
Auch hier schafft es ein Marketing-Buzzword, den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Storytelling fesselt in einem Gespräch. Das muss also das Ziel sein. Der, der etwas sagen möchte, muss auch etwas zu sagen haben. Der Gedanke, was könnte interessieren, ist schon mal ein guter Anfang.
Immer muss der Rahmen im Blick behalten werden. Und der ist in erster Linie ein entspanntes Gespräch. Erst wenn man einen Ort der Information etabliert hat, dann kann man damit rechnen, dass sich die Teilnehmer auch informieren wollen. Hier ist es wichtig, nicht zu langweilen oder zu „übermoderieren“. Letzteres passiert dann, wenn der Veranstalter die vermeintlichen Defizite des Kanals überbrücken will. Zum Beispiel mit ständigen Wiederholungen und Zusammenfassungen, weil noch ein, zwei Teilnehmer hinzugekommen sind. Das nervt die Pünktlichen. Zur Mitte oder zum Ende eines Talks nachvollziehbar, aber nicht ununterbrochen – dann tritt nämlich der Business-Flieger-Moment ein. Das Flugzeug wartet, bis auch alle Zuspätkommenden an Bord sind, verspätet sich deshalb – und alle kommen zu spät. Das nervt.
Die Moderation aus der Hand zu geben und eine Person zu engagieren, die ausschließlich moderiert, kann eine gute Idee sein, es kann aber auch das ganze Gegenteil erreichen. Spätestens dann, wenn der Moderator absolut keine Ahnung vom Thema hat oder unkonzentriert ist, weil er zu sehr in den Vitaes der Teilnehmer rumklickt. Ich habe das alles schon erlebt.
Der Kern des Erfolges bleibt das Gespräch. Eine gut erzählte Geschichte, ein Erfahrungsbericht, ein gut geführter Dialog … das sind die Rezepte. Und so merken wir schnell, dass man schon ein echter Profi sein muss, um das herzustellen. Maßstab sind TV und Radio. Wir urteilen schnell über die Qualität von Talkshows aus unserem medialen Leben. Die, wo wir Zuhörer und Zuseher sind. Auf Clubhouse merken wir schnell, das ist nicht einfach. Es drängt sich die Frage auf: Ist eine schlechte Talkshow für unsere Marke der richtige Touchpoint? Das sollte man sich ehrlich beantworten.
Ganz am Anfang von Clubhouse war ich bei einem Talk dabei, da ging es ganz allgemein um Clubhouse – zu Gast war Thomas Gottschalk, der zu Beginn große Schwierigkeiten hatte, überhaupt in das System zu kommen. Als er es endlich schaffte und obwohl er nicht unbedingt vom Thema beseelt war, hat er trotzdem eines erreicht: Man hat der Marke Thomas Gottschalk und seinen Erfahrungen mit Social-Media-Kanälen gerne zugehört, weil man eben Thomas Gottschalk gerne zuhört – weil er perfekt zu erzählen weiß.
Chancen.
Für alle, die auf Clubhouse ernstgenommen werden wollen – das gilt für Marken, Unternehmen und deren VertreterInnen –, sollte der Anspruch an Qualität in Bezug auf Inhalt und Umsetzung maximal sein. Hier ist das Konzept wie immer die Basis. Analysieren, Ziele definieren, eine Strategie erarbeiten und dann entsprechend umsetzen. Mit tollen Geschichten und tollen Stimmen – für Information, Service und/oder Unterhaltung. Das ist übrigens dann wieder Content-Marketing. Das, was Anspruchsgruppen mögen.
mehnert / paris
Agentur für Marketing, Design & PR