Heiko Mehnert

1. Marken dürfen niemals lügen

6. Mai 2019

Es ist für einen Werbetexter einfacher „weißer als weiß“ zu texten, als einer Marke verlorenes Vertrauen zurückzugeben.


Es ist der Dünkel klassischer Werbung, alles so weit zu übertreiben, bis aus scheinbaren Fakten handfeste Lügen werden. Und so war Marketing-Kommunikation lange Zeit vom Nebel kreischender Werbung (fast schon Reklame) umgeben. Noch heute schreien uns beispielsweise TV-Werbung oder Radiospots in unsere Ohren, was das Produkt sein möchte, aber selten ernsthaft ist. Bett1, Seitenbacher, Carglass, Rossmann mit seinem Buch, um nur vier Glücksritter zu nennen, benutzen klassische Werbekanäle und sabbern uns penetrant mit den immer gleichen Phrasen voll – als gäbe es kein Morgen, als gäbe es kein Content Marketing. Aber dazu später mehr.


Wenn eine Marke eine Unwahrheit sagt, dann war es früher so, dass der Rezipient das in der Regel gar nicht gemerkt hat oder nicht merken wollte oder es einfach als „typisch Werbung“ in seinem internen Abfalleimer abheftete. Oft „versendeten“ sich diese grenzenlosen Übertreibungen.


Das geht heute nicht mehr.


Die sozialen Netzwerke, allen voran Facebook und Twitter, haben den Marketing-Lügen annähernd den Garaus gemacht. Wer heute die Unwahrheit sagt, wird sehr schnell demaskiert. Mit Folgen. Siehe VW und Konsorten. (Der Skandal im Überblick).


Schnell beginnen die Trolle hinter ihren Hecken, auf die Marke zu schießen. Shitstorm und Hate-Speeches entfachen das Feuer. Und wenn früher „abwarten und Tee trinken“ die Devise in der Krisenkommmunikation war, dann geht das heute nicht mehr. Betrachtet man die Phasen eines Shitstorms, kann einem als Marketing-Mensch ganz anders werden. (Die Phasen eines Shitstorms)

 

Aber was passiert da?


Und es ist dabei ganz einfach. Will eine Marke ein enges, vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Nutzern aufbauen, dann darf das in keinem Fall gestört werden. Für den VW Konzern ist der Zug im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren. Die Hinwendung zur Elektromobilität ist der richtige Schachzug. Diesel und VW sind verbrannt. Übrigens die Feinstaubdebatte, Dieselverbote etc. sind durch den Skandal um VW entstanden. Wäre die Marke ehrlich gewesen, dann gäbe es auch weiterhin sehr saubere Dieselmotoren. Aber sie hat gelogen, dass sich die Balken biegen. Und natürlich nicht nur VW.


Wenn Gier allein Entscheidungen trifft, dann wird es dunkel um uns Menschen.


VW war eine starke Marke. Sie ist es nicht mehr.

Werde ich als Mensch angelogen, dann verliere ich das Vertrauen – eines der höchsten Güter im Zusammenleben.


Schaut man sich zum Beispiel die Marketing-Investitionen an, die Apple in seine Marke über Jahre investiert hat, um zur wertvollsten Marke der Welt zu werden, kann man sich vorstellen, wie sensibel sie auf Lügen reagieren muss. Hinter der Marke stehen echte „Überzeugungstäter“ auf der Nutzerseite. Würden die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Marke nicht der Wahrheit entsprechen, könnte das zu Milliarden-Verlusten führen. Wenn man sich noch an die Arbeitsbedingungen bei Foxconn, dem chinesichen Lieferanten von Apple, erinnert und die Medienberichte darüber, dann schrammte Apple an einem handfesten Skandal vorbei.


Die Beteuerungen von Bekleidungsmarken, die versichern, dass keine Kinderarbeit zu ihren bunten Pullis führen, lassen erahnen, wie dünn das Eis ist, auf dem „Weltmarken“ wandeln.


VW ist eigentlich kaputt. Rettung ist eigentlich nur noch eine neue Marke. So eine These. Diese Marke muss aber sehr vorsichtig mit der vergifteten DNA umgehen.


Marken, die gelogen haben, können Vertrauen nur zurückgewinnen, wenn sie maximal transparent den „Fehler“ aufdecken, wenn sie wieder um die Gunst der Kunden buhlen. Maximal. Das kostet Zeit und Geld, aber es ist auch eine Chance. Lügen ist menschlich, wie auch die Entschuldigung. Ist sie aufrichtig und mit Konsequenzen verbunden, wird verziehen. Zurück bleibt aber dieses Sprichwort, was ziemlich ultimativ ist:


„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht.“


In der nächsten Folge geht es darum, wie Marken durch Ideenlosigkeit in der Kommunikation nerven. Und zwar richtig nerven. Was kann man dagegen tun und was die Marken wie Seitenbacher und Freunde.